Liebe Kollegin, lieber Kollege,
am 24. September wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Mit jeweils einer Stimme wählt man im Wahlkreis einen Direktkandidaten und über die Landeslisten eine Partei des Vertrauens. Dieser Deutsche Bundestag sei, so sagte es der scheidende Parlamentspräsident Norbert Lammert, die „Herzkammer der Demokratie“. Die Wahrheit sieht natürlich oft anders aus: Die Exekutive, die Bundesregierung mit dem Kanzler oder einer Kanzlerin an der Spitze, bestimmt viele Konzepte und Initiativen vorneweg, und oftmals können die Abgeordneten nur noch nickend nachziehen. Ich würde mir wünschen, dass das Parlament den Auftrag der Wählerinnen und Wähler noch viel ernsthafter, drängender, fordernder wahrnimmt und nicht am Ende oftmals nur Regierungshandeln oder Koalitionsbeschlüsse absegnet. Ich wünsche daher den neu gewählten Abgeordneten mehr Mut!
Mut tut Not. Gerade unser berufliches Feld, Steuern und Staatsfinanzierung, spielt im Wahlkampf so gut wie keine Rolle. Bei Steuern verhalten sich die politischen Gruppierungen ängstlich. Meist wird das Thema auf Steuersenkungsvolumina verkürzt, mal größere, mal kleinere. Eine Partei, die sich als „Alternative“ bezeichnet, kommt sogar auf weit über 100 Milliarden Euro an Entlastungsversprechen. Natürlich ein absurdes und unseriöses Versprechen! Von einer grundlegenden Reform, von Vereinfachung ist leider in keinem Wahlprogramm die Rede. Da auch unklar ist, welche Koalition am Ende das Sagen haben wird, lässt sich auch derzeit keinerlei Prognose über die Steuerpolitik der nächsten vier Jahre treffen. Die Themen Flüchtlinge, innere Sicherheit, Türkei und Diesel überlagern nahezu alles. Für die Finanzierung des Staates, für das Thema Schulden und Investitionen, für Steuergerechtigkeit, für Defizite beim Steuervollzug, für die Zukunft der Einheitsbe-wertung/Grundsteuer und vieles andere mehr interessieren sich weder die Wahlkämpfer noch die Medien, aber auch die Wählerinnen und Wähler nur in geringem Maße. Bei Umfragen sehen nur etwa 38 Prozent der Befragten dieses Thema als wichtig an und lassen Politikern vage und widersprüchliche Positionen durchgehen.
Gleich drei Parteien (SPD, GRÜNE, LINKE) haben das Thema Einheits-Krankenversicherung mit dem Namen „Bürgerversicherung“ auf dem Schirm. Neu ernannte Beamtinnen und Beamte sollen in die GKV gedrängt und die Beihilfe im Gegenzug abgeschafft werden. In Hamburg wurde zu diesem Zweck schon in einem ersten Schritt ein „Wahlrecht“ für Beamtinnen und Beamte eingeführt. Mit dem Vorwurf der „Zweiklassenmedizin“ wird dabei Stimmung gegen die Beamtenschaft gemacht. Dabei ist es doch die GKV, die offenbar nicht richtig funktioniert und zudem völlig intransparent ist. Es ist die GKV, wo Beitragszahler zur Kasse gebeten werden und ihnen dann nicht bestmögliche, sondern nur „notwendige“ Leistungen bewilligt werden. Was „notwendig“ ist, definieren dann Kränzchen im Hintergrund, letztlich aber die Ärzte und Kliniken, denen man nur begrenzte Budgets gibt. Ein solches System, das zwar unser Geld will, aber wir Behandlungsfreiheit verlieren, lehnen wir entschieden ab. Gerade die Jüngeren unter uns bitte ich, sich von diesen Einheitsparolen nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Sind wir also gespannt, wie sich Wählerinnen und Wähler am 24. September entscheiden werden!
Herzlich, Ihr
Thomas Eigenthaler
Bundesvorsitzender