Unter dem Motto „Mensch – Steuer – Zukunft“ standen die Gewerkschaftstage des DSTG-Landesverbandes sowie – vorgeschaltet – der DSTG-Bezirke Baden und Württemberg, die Ende Oktober in der traditionsreichen Stauferstadt Schwäbisch Gmünd stattfanden.
Zu der öffentlichen Veranstaltung im örtlichen Congress-Centrum konnte die Südwest-DSTG die Finanzministerin des Landes, Edith Sitzmann (Bündnis 90/Die Grünen), den Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold (CDU), Parlamentarier aus den Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP, Oberfinanzpräsidentin Andrea Heck, die DSTG-Bundesleitung mit dem Bundesvorsitzenden, Thomas Eigenthaler, an der Spitze, den Landesvorsitzenden des Beamtenbundes Baden-Württemberg (BBW), Kai Rosenberger, und zahlreiche weitere Ehrengäste aus nah und fern begrüßen.
In seinem gewerkschaftspolitischen Grußwort gratulierte der DSTG-Bundesvorsitzende allen Gewählten – zuallererst natürlich dem alten und neuen Landesvorsitzenden, Markus Scholl, sowie den in ihren Ämtern bestätigten Bezirksvorsitzenden Jochen Rupp (Württemberg) und Andreas Krüger (Baden).
Der Württemberger Eigenthaler, der selbst Delegierter war, beschwor die Politik und die Verwaltungsspitzen, die Steuerverwaltung auf klarem Kurs und vor allem auf hohem Niveau zu halten. Er kritisierte nicht nur seit Jahren fehlende Haushaltsstellen, sondern auch die hohe Zahl unbesetzter Stellen. „Bundesweit sind rund 6.000 Stellen nicht besetzt“, beklagte Eigenthaler. „Das muss vor allem der Innendienst ausbaden“, bilanzierte er und forderte strukturelle Verbesserungen bei der Bezahlung.
„Und wer soll eigentlich die vielen neuen Hauptfeststellungen im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform machen?“, rief der DSTG-Chef den Zuhörern zu, die ihn mit lautem Beifall unterstützten. Zugleich nahm Eigenthaler den IT-Bereich der Finanzverwaltung vor allzu voreiliger Kritik in Schutz: „Auch in diesem Sektor leiden die Kolleginnen und Kollegen unter Personalmangel und unter einer jahrelangen Sparpolitik auf dem Rücken der Beschäftigten. Unsere IT-Leute geben ihr Bestes, daher dürfen wir nicht auf die Falschen einprügeln.“
Zudem warnte der Bundesvorsitzende die politischen Entscheidungsträger davor, die konkreten Erwartungen der kommenden „Generation Z“ zu unterschätzen: „Diese Leute sind nicht mehr so angepasst, wie es noch die Babyboomer-Generation war; sie haben völlig andere Erwartungen an die Arbeit.“ Die kommende Generation werde weitaus mehr Forderungen an den Arbeitgeber stellen als die bisherige – und sie werde aus der Verwaltung sehr schnell ausscheiden, wenn es keine verlässlichen Perspektiven gebe.
Zuvor hatte der alte und neue Landesvorsitzende Markus Scholl eine mit Standing Ovations bedachte Rede gehalten. Die DSTG habe in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg sehr gute Erfolge erzielt: „Rund 9.000 Beförderungen zwischen den Regelbeurteilungen der Jahre 2013 und 2019 können sich bestens sehen lassen“, sagte Scholl und dankte den kontinuierlichen und engagierten Ansprechpartnern in der Politik für die gute Zusammenarbeit.
Klar und eindringlich wies Scholl aber auch darauf hin, dass es zahlreiche weitere wichtige Themen für die DSTG gebe, beispielsweise die Dienstpostenbewertung im gehobenen Dienst: „Ich bin davon überzeugt, dass alle Dienstposten des gehobenen Dienstes nach A 12 bewertet sein müssen“, betonte Scholl. „Wir haben alle das gleiche Studium absolviert – und bei den Kolleginnen und Kollegen aus der Lehrerschaft wird bei der Bewertung auch nicht unterschieden, ob sie Sport oder Deutsch unterrichten! Jegliche Abwertung der Dienstposten nach A 11 verbietet sich daher von selbst.“
Scholl sprach sich auch dafür aus, die vielen Entlassungsanträge junger Kolleginnen und Kollegen aus dem Dienst zu reduzieren, Versetzungen nach der Ausbildung sozialverträglicher zu gestalten und Anreize zur Aktivierung Beurlaubter sowie zur Aufstockung von Teilzeit zu schaffen.
„Unser Ziel ist es immer, gemeinsame Lösungen zu suchen, zu finden und umzusetzen“, resümierte der Landesvorsitzende. „Unsere Gewerkschaftsarbeit und unsere Philosophie werden durch die Entscheidung für den besten Gedanken definiert. Eine offene, freie, transparente und faire Diskussion ist der erfolgreiche Stil der DSTG. An ihm werden wir auch in Zukunft festhalten.“
Mit Spannung wurde die Rede der baden-württembergischen Finanzministerin erwartet, die seit Mai 2016 an der Spitze des Finanzressorts ist. Edith Sitzmann würdigte das vorbildliche und unverzichtbare Wirken der Finanzverwaltung für Staat, Kommunen und Gesellschaft. Die Ministerin hatte gute Nachrichten im Gepäck: Der Doppelhaushalt der Jahre 2020/2021 bringe zahlreiche Verbesserungen – insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen des mittleren Dienstes. Sitzmann bestätigte, dass mehr Personal und zahlreiche Maßnahmen erforderlich seien, um die Finanzverwaltung zukunftsfähig zu halten.
Die Ankündigungen der Finanzministerin führten rasch zu einer Replik des Landeschefs der DSTG. Scholl wörtlich: „Wir hoffen, dass sich unsere Ministerin mit ihren Vorschlägen für die Steuerverwaltung durchsetzen wird. Die Verbesserungen für den mittleren Dienst haben wir von der DSTG seit langem gefordert. So sind das Eingangsamt A 7 und die Ausschöpfung der Stellenplanobergrenzen bei A 9 und A 9 Z vorgesehen.“
Letzteres würde laut Scholl weit mehr als 300 zusätzliche Beförderungen bringen und damit eine Ausweitung des Flaschenhalses in diesem Bereich bedeuten. „Wir hoffen, dass der Entwurf am 18. Dezember mit der dritten und abschließenden Lesung Gesetz werden wird.“
Grußworte sprachen auch die Vertreter der Fraktionen: Tobias Wald, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Andreas Stoch, Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, und Rudi Fischer (FDP), Landtagsmitglied und Sprecher für Haushaltspolitik.
Mit Kritik sparte der BBW-Vorsitzende Kai Rosenberger in seinem Grußwort des Dachverbandes keineswegs: „Es ist an der Zeit, dass die 41-Stunden-Woche zurückgenommen wird, die in Baden-Württemberg 2006 eingeführt wurde! Was damals galt, ist nach mehr als einem Jahrzehnt des Aufschwungs längst überholt“, erklärte Rosenberger. Die Arbeitszeit im Beamtenbereich müsse an die im Tarifbereich geltende Wochenarbeitszeit von 39,5 Stunden angeglichen werden. Zugleich erinnerte Rosenberger daran, dass Freizeit heutzutage „die neue Währung“ sei und somit angemessene Arbeitszeiten zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes beitragen.
Heftige Kritik übte er am sogenannten „Hamburger Modell“. Er halte davon nichts, weil es um einen gefährlichen Einstieg in die Einheitskrankenversicherung gehe, so Rosenberger. Zudem beinhalte diese Modell nur eine „Schein-Wahlfreiheit“, weil man ja nicht mehr in die PKV zurückkönne, wenn man sich einmal für die GKV entschieden habe. Rosenberger forderte darüber hinaus die Rücknahme der Beihilfeverschlechterungen für junge Beamtinnen und Beamte.
Mit Beschlüssen über mehr als 220 Anträge und drei Leitanträge bestimmten die baden-württembergischen Delegierten die gewerkschaftliche Ausrichtung der nächsten fünf Jahre. Außerdem wurden mehrere Satzungsänderungen beschlossen. Mit einer deutlichen Zwei-Drittel-Mehrheit schaffte der Gewerkschaftstag die satzungsmäßige Grundlage dafür, dass der jeweilige Landesjugendleiter beziehungsweise die jeweilige Landesjugendleiterin stimmberechtigtes Mitglied der Landesleitung ist.
Scholl schloss den Gewerkschaftstag mit den Worten: „Getreu unserem Motto ‚Mensch – Steuer – Zukunft‘ werden wir weiterhin geschlossen zusammenstehen und den Schwung dieser Tage ins neue Jahr mitnehmen!“
Für die mit frenetischem Beifall bedachte musikalische Umrahmung der öffentlichen Veranstaltung sorgte die Musikkapelle des Finanzamts Schwäbisch Gmünd.