Das Thema „Maßnahmen gegen sogenannte Umsatzsteuerkarusselle“ stand im Mittelpunkt des heutigen 90-minütigen Fachgesprächs im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags. Die Position der DSTG verdeutlichte der DSTG-Bundesvorsitzende, Thomas Eigenthaler: Er plädierte für umgehende Umsatzsteuersonderprüfungen, sobald es um Vorsteuerbeträge bei nicht plausiblen Leistungsbewegungen gehe. Ein Betrugsschaden könne nur bei sehr schnellem Eingreifen verhindert werden.
Eigenthaler wies auf die völlig unzureichende Personalausstattung in diesem Bereich hin, die ein staatliches Handeln meist nur reaktiv und damit oft zu spät zulasse. Betrugskarussellen könnte ein schnelles Ende gesetzt werden, wenn es deutlich mehr Umsatzsteuer-Sonderprüfer gäbe, die bei Verdachtsmomenten in zwei bis drei Tagen vor Ort sein könnten. Aktuell gebe es jedoch rund 6.000 unbesetzte Stellen in den Finanzämtern, was die Situation noch zusätzlich erschwere.
Eine Systemumkehr zu einem allgemeinen Reverse-Charge-Verfahren im Business-to-Business-Bereich betrachtete Eigenthaler skeptisch: Die Systemänderung eines in 50 Jahren etablierten Verfahrens sei riskant und führe zu hohen Umstellungskosten und zu Steuerausfallrisiken, sagte der DSTG-Bundesvorsitzende vor den Abgeordneten. Mit der Verlagerung der Umsatzsteuerschuldnerschaft vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger würden neue Fragen und möglicherweise auch neue Lücken entstehen. Eigenthaler wörtlich: „Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.“
Zu dem öffentlichen Fachgespräch waren insgesamt acht Sachverständige geladen. Aktuell liegt keine konkrete Gesetzesvorlage vor, wobei eine grundlegende Änderung des Mehrwertsteuersystems auch nur auf europäischer Grundlage erfolgen kann.
Weit verbreitete Form des Steuerbetrugs
Als „Karussellgeschäft“ oder „Karussellbetrug“ wird ein in der Europäischen Union seit mehreren Jahrzehnten verbreitetes Modell des Umsatzsteuerbetrugs bezeichnet, das in einem geschlossenem Kreislauf stattfindet und bis zu seiner Aufdeckung beliebig oft wiederholt werden kann – daher stammt auch der Name.
Die in mindestens zwei verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten ansässigen Betrüger kombinieren eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung mit dem umsatzsteuerpflichtigen Weiterverkauf im Importland. Der Betrug findet beim ersten umsatzsteuerpflichtigen Verkauf statt, indem der Verkäufer die vom Käufer eingenommene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt, sondern einfach einbehält und mit seinen Komplizen teilt.
Die übrigen Beteiligten des Warenkreislaufs verhalten sich grundsätzlich rechtskonform und wissen unter Umständen gar nicht, dass sie Teil eines Umsatzsteuerbetrugskarussells sind.
Der betrügerische Händler – nicht selten eine Briefkastenfirma – verschwindet spurlos, sobald es zu heiß wird. Daher wird dieser Beteiligte auch „Missing Trader“ – der „fehlende Händler“ – genannt. Je höher das Entdeckungsrisiko steigt, desto eher taucht der Missing Trader ab. Daher ist es wichtig, bei Auffälligkeiten möglichst rasch eine spezielle Außenprüfung durchführen zu können: die Umsatzsteuer-Sonderprüfung.
Zur Maximierung der Beute wählen die Betrüger häufig kompakte, aber hochpreisige Güter, mit denen sich hohe Umsätze bei geringem Transportaufwand generieren lassen. Galten früher Mobiltelefone sowie Computerchips und -prozessoren als lohnende Geschäftsbereiche, haben die Betrüger zunehmend auch den Handel mit Emissionsrechten wie beispielsweise CO2-Zertifikaten für sich entdeckt. Die Steuerausfälle liegen europaweit im Milliardenbereich.