Der Arbeitsplatz muss für alle ein sicherer Ort sein
Bundesfrauenvertretung fordert Dienstvereinbarungen zu den Themen sexuelle Belästigung, Gewalt und Diskriminierung in den Finanzbehörden
Die DSTG-Bundesfrauenvertretung traf sich zu ihrer zweitägigen Arbeitssitzung im Herbst in der thüringischen Hauptstadt Erfurt. Neben dem Leitthema „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ bildeten natürlich auch die laufenden Tarifverhandlungen einen Schwerpunkt der Sitzung.
Von Seiten der DSTG Thüringen hieß Doreen Trautmann die Frauen in ihrer Stadt Erfurt willkommen. Wie in allen anderen Bundesländern sind die Herausforderungen für den öffentlichen Dienst durch den Personalfehlbestand massiv. Für die Finanzverwaltung wurde kürzlich ein Gleichstellungsbericht in Interviewform erstellt, der lesenswert sei, so Trautmann.
Der Bericht über die Arbeit der DSTG in Berlin auf Bundesebene natürlich wie immer zur Tagesordnung. Dazu durften die Frauen die Ehrenvorsitzende Andrea Sauer-Schnieber in ihrer Mitte begrüßen. „Wir stürzen von einer Krise in die andere, aber man hat den Eindruck, die politischen Akteure kreisen nur um sich selbst, anstatt die Probleme anzugehen“, stellte die stellvertretende Bundesvorsitzende fest. Das Vertrauen der Bürger in den Staat sei erschüttert, man müsse sich Sorgen machen um die Demokratie. Da überall Personal fehlt, kann der Staat seine Aufgaben nur noch unzureichend erfüllen.
Andrea Sauer-Schnieber berichtete, dass der Bundesvorsitzende Florian Köbler mittlerweile bestens vernetzt in der „Steuerwelt“ sei, bei den politischen Fraktionen, im Finanzministerium, bei den steuerberatenden Berufen und den Wirtschaftsvertretern. Um die Arbeitsflut in den Finanzämtern in den Griff zu bekommen, wirbt er dort für moderne Compliance-Vereinbarungen und den Echtzeitzugriff auf Unternehmensdaten. Nur durch mehr Risikomanagement, Beschleunigung der Digitalisierung und möglicherweise auch dem Einsatz von KI bringen wir „die Fälle vom Tisch“.
Kurz vor der dritten Verhandlungsrunde zum TV-L war die aktuelle Situation zur Einkommensrunde für die Teilnehmerinnen ein besonders interessantes Thema. Die Voraussetzungen seien aufgrund der finanziellen Belastungen der Länder natürlich nicht die besten, aber „die Zeit für Gehaltsforderungen war noch nie die richtige“, so Sauer-Schnieber. Wir haben viele Argumente auf unserer Seite: wir müssen attraktiv bleiben im Kampf um gute Nachwuchskräfte. Um auch gegen Abwerbungen von Bund und Kommunen zu bestehen, muss eine Angleichung an den TvöD gelingen. Die Erwartungen der Mitglieder seien hoch. Aber diese sind auch alle gefordert! „Wir müssen den Druck auf die Straße bringen. Geschenkt wird uns nichts.“
Die Social Media Videos des Bundesvorsitzenden Köbler sowie ein Dokument des WSI „Analysen zur Tarifpolitik“ zur Inflationsausgleichsprämie wurden den Frauen von der Vorsitzenden Johanna Mieder als Argumentations- und Erklärhilfe im Dialog mit ihren Mitgliedern ans Herz gelegt. „Wir brauchen ein ordentliches dauerhaftes Plus in den Gehaltstabellen und keine Einmalzahlungen, die sich insbesondere für Teilzeitbeschäftigte nur kurzfristig auswirken“ so Johanna Mieder.
Zur Vorbereitung ihrer Länderberichte für diese Sitzung waren die Frauenvertreterinnen gebeten worden zu recherchieren, welche Maßnahmen die Dienststellen in ihren Ländern getroffen haben, um sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz zu vermeiden und ob ggf. dazu Dienstvereinbarungen bestehen.
Auch aufgrund der Initiative von DSTG-Frauen, die dieses Thema aus der Fachtagung der dbb bundesfrauenvertretung kennen, soll in vielen Ländern demnächst eine Dienstvereinbarung entwickelt werden, bisher gibt es sie noch in keinem Bundesland.
Bestehende „Vereinbarungen über partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ aus früheren Jahren oder die Aussage „wenden Sie sich an den Amtsleiter oder die Gleichstellungsbeauftragte“ sind sicher nicht mehr zeitgemäß. Externe Anlaufstellen wie Vertrauensanwälte, psychosoziale Beratungsstellen oder Beratungshotlines, die ganz unterschiedlich in den Ländern existieren, sind oft vielen Beschäftigten gar nicht bekannt.
Daher positioniert sich die Bundesfrauenvertretung ganz klar, dass aktuelle Dienstvereinbarungen notwendig sind. „Diese brauchen wir zur Sensibilisierung und Aufklärung“, so Johanna Mieder. Wo beginnt sexuelle Belästigung und in welchen Formen erscheint sie? Welche Präventivmaßnahmen muss der Dienstherr ergreifen, damit es gar nicht erst soweit kommt? Und vor allem an wen kann ich mich als Betroffene oder Betroffener wenden, wenn ich Hilfe brauche oder wenn ich erlebe, dass einer Kollegin oder einem Kollegen geholfen werden muss? Wie sind die Handlungsabläufe und wie wird sanktioniert? Alles Fragen, die Mithilfe einer Dienstvereinbarung leichter beantwortet werden können.
Bei ihrem Rückblick auf die vergangenen Monate konnte Johanna Mieder wieder von vielen Präsenzveranstaltungen berichten. Die Fachtagung der dbb bundesfrauenvertretung, Sitzungen der Gremien und das Seminar der DSTG-Bundesfrauenvertretung konnten wieder gänzlich ohne Corona-Einschränkungen stattfinden. In den Ländern fanden auch wieder einige Wahlen bei den Frauenvertretungen statt. Mieder begrüßte die „Neuen“ ganz herzlich und ermunterte sie, sich aktiv einzubringen. „Ihr werdet sehen, das hier ist ein ganz besonderes Gremium.“
Es wurden aber auch mehrere wohlverdiente Frauen aus dem Gremium verabschiedet. Mieder dankte Ihnen für Ihren besonderen, langjährigen Einsatz in der und für die Bundesfrauenvertretung.