17. Oktober 2021

Starke Belastungen für die Tarifrunde 2021

Die Wahnsinnsvorstellungen der TdL zum Arbeitsvorgang

  • Foto: Friedhelm Windmüller
    Die Bundestarifkommission des dbb bei der Forderungsfindung Ende August - Karl-Heinz Leverkus ist in der ersten Reihe rechts zu sehen.

Die Vorstellungen der Arbeitgeber in den Ländern (TdL), das gesamte Eingruppierungssystem mit der Auslegung des Begriffs „Arbeitsvorgang“ grundlegend verändern zu wollen, belastet die Tarifrunde 2021 extrem. „Die Arbeitgeber sind partout nicht von ihrer Forderung abzubringen, die zentrale Regelung bei der Eingruppierung in Frage zu stellen“, kritisiert der Vorsitzende der Tarifkommission der DSTG, Karl-Heinz Leverkus.

Der Arbeitsvorgang ist die Grundlage der Arbeitsplatzbewertung und damit von zentraler Bedeutung für die Eingruppierung der Beschäftigten. „Was sich für viele Beschäftigten ganz einfach anhört, ist das Herzstück der Eingruppierung“, erläutert Leverkus. „Und das greifen die Arbeitgeber jetzt an – wohl wissend, dass sie damit langfristig und nachhaltig Geld auf Kosten der Beschäftigten einsparen werden.“

Mit dem Begriff Arbeitsvorgang sind seit Jahrzehnten klare und verlässliche Regelungen geschaffen worden, an denen sich Personalräte wie Personalstellen orientieren können und die vor allem für die unteren Entgeltgruppen eine hohe Bedeutung haben.

Anders als noch vor wenigen Jahren, als verschiedene Tätigkeiten noch mehreren Beschäftigten übertragen wurden, ist es heute so, dass die Aufgaben zusammengefasst und wenigen Beschäftigten übertragen werden: Alle anfallenden Aufgaben vom Eingang bis zum Abschluss dienen einem Arbeitsergebnis, einem Arbeitsziel.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Arbeitgeber, um zu einer angemessenen Eingruppierung zu kommen, jetzt alles in Frage stellen, was über Jahre gemeinsam erarbeitet und durch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte bestätigt wurde. Dazu gehört auch die Umsetzung einer in die Zeit passenden Entgeltordnung; die jetzt gültigen Eingruppierungsregelungen für die Steuerverwaltung stammen überwiegend aus dem Jahr 1978. Als Beispiel nennt Leverkus die Tätigkeiten in der UVST, die sich sicherlich seit 1978 gravierend verändert haben; eine Anpassung der Tätigkeitsmerkmale will die Arbeitgeberseite aber solange verwehren, bis die Auslegung des Begriff „Arbeitsvorgang“ im Sinn der TdL erfolgt.

Das zentrale Bewertungskriterium sind unter anderem gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen, die für die Aufgabenerledigung notwendig sind. Wird hier zum Beispiel ein Arbeitsvorgang mit einem Anteil von 60 Prozent der Gesamtarbeitszeit ermittelt, in dem gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen anfallen, erfolgt die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 9a. Nach dem Verständnis der Arbeitgeber darf das aber nicht das Ergebnis der Eingruppierung sein. Ihnen schwebt deshalb vor, dass in dem Arbeitsvorgang die selbstständigen Leistungen grundsätzlich auch „zur Hälfte“ erfüllt sein müssen. Wie der prozentuale Anteil der selbstständigen Leistungen ermittelt werden soll, ist und bleibt das Geheimnis der Arbeitgeber.

Der Arbeitgeber entscheidet dann alleine, wie hoch der Anteil der selbstständigen Leistungen – sie sollen im rechtserheblichen Ausmaß benötigt werden – im jeweiligen Arbeitsvorgang ist, und entscheidet somit über die Entgeltgruppen.

Für das Vorliegen einer schwierigen Tätigkeit oder selbstständigen Leistung in einem rechtserheblichen Ausmaß genügt ein deutlich zeitlich untergeordneter Prozentanteil von vielleicht 8 bis 9 Prozent. Entscheidend ist, dass ohne diese schwierigen Tätigkeiten oder selbstständigen Leistungen ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt werden kann, weil dann die Aktenbearbeitung unvollständig wäre (LAG NdS 5. Kammer, Urteil vom 04.03.2021, 5 Sa 925/20 E).

Den Vorstellungen der TdL folgend, könnte in dem vorgetragenen Beispiel auch eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe 6 beziehungsweise 8 herauskommen. „Damit wird bei der Eingruppierung das Tor zur Willkür weit geöffnet“, meint Leverkus.

Warum kommen die Arbeitgeber der Länder gerade jetzt mit einem derart schwergewichtigen Thema um die Ecke? Wo liegt das Problem, und wo hakt es aus Sicht der Arbeitgeber? Auf diese Frage konnten sie bisher keine plausible nachvollziehbare Antwort geben; sie stellen selbst die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Frage. Die Arbeitgeber wollen die Eingruppierung besonders in den unteren Entgeltgruppen absenken und greifen somit den Beschäftigten in die Tasche.

Der dbb beamtenbund und tarifunion – der auch die Interessen der DSTG vertritt – wird sich nicht darauf einlassen, denn mit diesen geänderten Regelungen zum Arbeitsvorgang sind Herabgruppierungen und Einstellungen in niedrigere Entgeltgruppen die absehbare Folge.

Was die TdL vorhat, kommt einer Operation am offenen Herzen gleich: Das tut weh und funktioniert nicht, sondern es setzt die finanzielle Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeiten aufs Spiel!

Aus Sicht der DSTG-Tarifkommission gibt es keinen Handlungsbedarf bei der Auslegung des Arbeitsvorgangs. Es besteht aber die dringende Notwendigkeit, dass über die Eingruppierungen in der Steuer- und Finanzverwaltung schnellstmöglich verhandelt wird. Die entsprechenden Vorschläge für eine zeitgemäße Eingruppierung für diesen Bereich hat die DSTG-Tarifkommission erarbeitet, und sie liegen der Arbeitgeberseite bereits seit Anfang 2018 vor.